25.07.2021
Schluss mit Smoke on the water
Wo der Umweltschutz zu Lande und in Ballungszentren heute hoch im Kurs steht, waren bei der Schifffahrt bisher viele Sünden erlaubt. Jetzt müssen auch Schiffsbetreiber ihre Abgase reinigen und damit die Meere nachhaltig schützen. Dekanterzentrifugen von Flottweg helfen bei Stena Line die anfallenden Schlämme aus der Flotation weiter zu behandeln und das Volumen des Abschlamms deutlich zu reduzieren. Durch die Entwässerung der Feststoffe kann dieser Sonderabfall auf dem Schiff in Containern zwischengelagert werden, um ihn im nächsten Hafen der umweltgerechten Entsorgung zuzuführen.
Rund 40.000 Handelsschiffe sind laut Umweltbundesamt auf den Weltmeeren unterwegs, dazu gesellen sich zahlreiche Fähren und Kreuzfahrtriesen. Allein im internationalen Warenverkehr hält die Schifffahrt mit 90 Prozent eine unangefochtene Pole-Position. In Sachen Umweltschutz ist sie mit ihren hohen Emissionen jedoch seemeilenweit von einem Spitzenplatz entfernt. Das soll sich ändern. Mit strengeren Richtlinien will die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO) die Meere künftig besser vor Belastungen durch den starken Partikel- und Schwefelausstoß schützen. Ab 2020 darf daher der Schwefelgehalt des Treibstoffs, den Schiffe auf hoher See verbrennen, nur noch 0,5 statt bisher 3,5 Prozent betragen, um die Abgasgrenzwerte zu erreichen. Nord- und Ostsee sind bereits Vorreiter: Hier gilt seit 2015 ein Schwefelgrenzwert von 0,1 Prozent. Doch es geht noch besser.
Emissionen im Schiffsverkehr kosteneffizient reduzieren
Um die strikten Grenzwerte einzuhalten, müssten Reedereien statt des günstigen Schweröls hochwertigen Schiffsdiesel verwenden - doch dieser ist deutlich teurer. Daher setzen viele Schiffseigner auf eine kosteneffizientere und bereits erprobte Alternative. Durch die Installation von Nasswäschern zur Rauchgasreinigung, den sogenannten Scrubbern, in den Abgasanlagen kann der geforderte Emissionswert eingehalten werden.
Diese Scrubber erzielen die geforderte Emissionsreduktion, erzeugen jedoch Abwasser, das vor der Einleitung gereinigt werden muss (Closed Loop Scrubber). Die verschiedenen Scrubber-Systeme unterscheiden sich in ihrer Umweltwirkung.
Auch die nordeuropäische Fährgesellschaft Stena Lines verwendet Scrubber-Systeme zur Reinigung der Emittenten. Stena Lines betreibt unter anderem acht Fähren, die täglich vom niederländischen Hoek van Holland nach Harwich und Killingholme pendeln.
Bei dem Reinigungsverfahren mit Scrubbern werden die Rauchgase im Abgassystem mit Hilfe von aufbereitetem Seewasser gewaschen und damit große Teile der Abgaspartikel wie Schwermetalle, Ruß und HC-Emissionen gebunden.
Das verunreinigte Waschwasser aus der Gaswäsche wird diskontinuierlich, abhängig vom Verschmutzungsgrad, abgezogen und der Reinigung in der Flotationsanlage zugeführt.
Bei den großen Fährschiffen der Stena Lines wird das Scrubbersystem der Firma Wärtsilä eingesetzt. In diesem System wird das verunreinigte Gaswaschwasser in einer speziell entwickelten Flotationsanlage gereinigt (genannt BOTU = Bleed Off Treatment Unit). Das gereinigte Wasser erfüllt die Einleitbedingungen und kann direkt ins Meer abgegeben werden.
Das Verfahren hat einen entscheidenden Nachteil: Der großvolumige, noch flüssige Flotationsschlamm muss in einem Tank zwischengelagert werden, bevor er im Hafen entsorgt werden kann. Die zu entsorgende Menge ist noch groß, zudem neigen die Feststoffe im Tank zur Bildung von Ablagerungen. Entsprechend aufwändig und kostspielig ist das Handling – hier galt es, eine Lösung zu finden.
Optimale Trennung von Feststoffen und Flüssigkeit mit Dekanter-Zentrifuge
Ziel von Stena Lines war es daher, die Menge an Restschlamm deutlich zu vermindern. Dafür mussten Feststoffe und Flüssigkeiten weiter separiert werden – aber wie? Unter Eigenregie wurden verschiedenste Verfahren im Technikums-Stadium untersucht.
Die Lösung ist der Einsatz eines sogenannten Dekanters. Der Vorteil gegenüber anderen Trennverfahren: Dekanter benötigen wenig Platz, vermeiden Emissionen und erfordern mit ihrem kontinuierlichen, automatischen Betrieb nur einen minimalen Bedienaufwand. Stena Lines hat sich bei den größeren Schiffen für den Einsatz von hochwertigen Dekanter-Zentrifugen „Made in Germany“ entschieden. Während der Entwicklungs- und Optimierungsphase wurde zunächst auf der Stena Transit ein gebrauchtes Modell des Typ Z1L, Baujahr 1985, von Flottweg installiert. Im Zuge der Ausrüstung der großen Fährschiffe Stena Line Brittanica und Hollandica setzt das Schifffahrtsunternehmen bereits auf das Design des Flottweg Dekanter-Modells Z23-3/401. Mit gleicher Funktionalität, aber moderner Regelungs- und Steuerungstechnik ausgerüstet, wurden die Maschinen in die Schlammbehandlung integriert.
Mit dem Modell Typ Z2E-4/4x1 steht für diese Anwendung mittlerweile eine komplett neue Maschine zur Verfügung. Das optimierte Design mit etwas vergrößertem Trommelvolumen beinhaltet alle Verbesserungen der neuen Z2 Baureihe.
Die Funktionsweise des Dekanters – einfach und genial
Der Dekanter steht am Ende des Reinigungsverfahrens. Die moderne Vollmantel-Zentrifuge von Flottweg bearbeitet den Flotationsschlamm aus der BOTU direkt an Bord.
Durch das zentral angeordnete Zulaufrohr wird der Schlamm in den Einlaufraum der Schnecke geleitet und gelangt nach schonender Vorbeschleunigung über die Verteileröffnungen in die Trommel. Die Trommel hat eine zylindrisch-konische Form und rotiert mit einer sorgfältig abgestimmten Drehzahl. Der Schlamm erreicht so die volle Umlaufgeschwindigkeit und legt sich als zylindrischer Ring an den Trommelmantel an. Unter dem Einfluss der Zentrifugalkraft setzen sich die enthaltenen Feststoffe an der Trommelinnenwand ab.
Gleichzeitig dreht sich im Inneren eine Schnecke mit einer geringen Differenzdrehzahl relativ zur Trommel und fördert die abgesetzten Feststoffe in Richtung des konisch verengten Trommelendes, wo sie nach unten ausgetragen werden. Dieser relativ trockene Schlamm wird gesammelt und im Hafen entsorgt. Die geklärte Flüssigkeit fließt zum zylindrischen Trommelende und läuft dort über Öffnungen im Trommeldeckel sauber und drucklos ab.
Betriebssicherheit sowie auch hohe Standzeiten sind absolut gesichert, da Flottweg für alle produktberührten Bauteile ausschließlich hochwertigen rost- und säurebeständigen Edelstahl verwendet. So ist die Trommel aus hochfestem Duplex-Schleuderguss und der Schneckenkörper aus Edelstahl-Schleuderguss. Das schützt optimal vor Korrosion, was bei hoch aggressiven Reststoffen aus der Abgaswäsche enorm wichtig ist.
Der Erfolg des Verfahrens zeigt sich auch auf hoher See schnell: Enthält die Schlammschicht nach dem BOTU-Verfahren mit 2 % TS Gew.%. noch eine große Menge an wässriger Phase, entwässert der Dekanter ca. 20 bis 22 % TS Gew.%. Die gereinigte Wasserphase wird mit dem gereinigten Wasser der Flotation abgegeben und so verbleibt nur eine sehr kleine Restmenge Schlamm: Diese konnte dank des Verfahrens von 500 kg/h auf 45 kg/h (0,09) reduziert werden - bei entsprechender Minimierung des Volumens.
Die geringen Schlammmengen passen in einen kleinen Container, der leicht von Bord gehoben werden kann. Er wird im Hafen von Rotterdam entsorgt. Nicht nur aus umwelttechnischer Sicht, sondern auch wirtschaftlich ist der Dekanter ein großer Erfolg: Das Entsorgungsverfahren wird deutlich optimiert, da die wöchentliche Entsorgung per LKW entfällt. Die Kostenersparnis ist dadurch erheblich.
Bei Stena Lines freute man sich zudem darüber, dass das Flottweg Back Drive System so einfach zu handhaben ist und dass durch die integrierte drehmomentabhängige Schneckendrehzahlregelung eine Verstopfung auch bei schwankenden Feststofffrachten vermieden wird. Das moderne Steuerungssystem bietet eine schnelle Übersicht über den Betriebszustand der gesamten Entwässerungseinheit.
„Unser Ziel ist es, den Prozess der Feststoffabtrennung weiter zu optimieren“, sagt Peter Polifka, Sales Industrial Waste Water, Minerals and Oil bei Flottweg. „Mit Unterstützung eines kompetenten Kunden wie Stena Line werden wir weiter an neuen Prozessvarianten und Verbesserungen des Dekantereinsatzes im Bereich Bleed Off Teatment arbeiten“.
Unkomplizierte und universelle Anwendung des Dekanters
Gegenüber anderen Trennverfahren überzeugt die Dekanter-Technologie generell mit unkomplizierter Bedienbarkeit und hoher Flexibilität. Während des Betriebes ist kein Reinigungszyklus erforderlich. Die Maschine ist wirksam vor Verschleiß geschützt, daher besteht auch nur ein geringer Bedarf an Wartung und Ersatzteilen. Außerdem entstehen keine zusätzlichen Abfälle, da die Dekanter-Zentrifugen von Flottweg keinerlei Filterhilfsmittel oder -tücher benötigen. Durch speicherprogrammierbare Steuerung oder Fernüberwachung können die Geräte während des Betriebs automatisch an variable Zulauf- und Betriebsbedingungen angepasst werden. Weitere Vorteile sind ein geringer Platzbedarf und die geschlossene Bauweise – dadurch werden keine Emissionen in die Umgebung abgegeben. Dank der Materialauswahl sind die Flottweg Dekanter für eine lange Lebensdauer ausgelegt. Die verwendeten Duplexwerkstoffe helfen Korrosion zu vermeiden. Das macht die eingesetzte modulare Modellbaureihe gerade auch für die Belastungen durch Natriumchlorid und Schwefel einsatzfähig. Das vereinfachte Handling zur Entsorgung des Restschlamms bringt zudem eine deutliche Kostenersparnis mit sich.
Über die Autoren
Nils Engelke
Nils Engelke ist PR und Kommunikationsmanager bei Flottweg SE
Peter Polifka
Peter Polifka ist Vertriebsingenieur bei Flottweg SE und Experte für Industrieschlämme und -abwässer.